Wie alles begann...
Am 4. November 2008, um 13:46 Uhr musste ich meinen Freund über die Regenbogenbrücke ziehen lassen.
Oli wurde 14 Jahre, 5 Monate und 24 Tage alt.
Die Geschichte von Oli und mir begann vor 13½ Jahren.
Ein Bekannter kam zu mir und hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte für 3 Wochen Hundesitter zu sein. Einer seiner Freunde wolle in Urlaub fahren und könne seinen Hund nicht mitnehmen. Selbstverständlich war ich einverstanden. Tags darauf trat Oli in mein Leben.
Da saß nun ein zotteliges etwas vor mir in meinem Wohnzimmer. Er ließ mich nicht aus den Augen und verfolgte schüchtern aber nicht scheu jede meiner Bewegungen. Ich setzte mich, nicht allzu dicht, neben ihm auf den Boden. In meiner Faust ein Leckerli versteckt. Langsam schob ich meine geschlossene Hand mit dem Leckerli über den Fußboden auf ihn zu, ohne ihn jedoch direkt anzusehen. Natürlich hatte er den Leckerbissen schon gerochen. Ich konnte sehen und fühlen in welchen Konflikt ich Oli stürzte. „Oh, ja, da ist ein Leckerchen. Das will ich haben! Das muss ich bekommen! Aber Stopp! Den Kerl da kenne ich doch gar nicht. Da geh ich nicht so einfach hin. Aber das Leckerli…. Was soll ich nur tun?“ Es dauerte keine 10 Minuten und Oli hatte sich für das Leckerli entschlossen. Er stand auf, kam auf mich zu und stupste mit seiner Nase an meiner Hand. Natürlich bekam er die Belohnung.
Es ist mir erst lange Zeit später bewusst geworden, dass das der Moment war der das Leben von Oli, aber insbesondere mein Leben total veränderte. Das war der Moment in dem eine große Freundschaft und Liebe bekann.
Die folgenden drei Wochen vergingen wie im Flug. Die Grundkommandos wie „Sitz!“ und „Platz!“ kannte Oli und wenn er Lust hatte, dann hat er sie auch befolgt. Ich habe aber sehr schnell bemerkt wie klug Oli war. Im Verlauf der drei Wochen haben wir viel gespielt, waren viel und lange unterwegs. Am Ende lief Oli ohne Leine mit mir durch die Stadt. Er hat aufs Wort gehorcht. Leute sprachen mich an: „Erstaunlich wie folgsam dieser der Hund ist. Darf ich ihn mal streicheln?“, „Oh, ist das aber ein Hübscher, und wie gut der hört.“ Ich war richtig stolz auf Oli. Ich habe auch an mir eine Veränderung bemerkt. Sonst immer zurückhaltend und wortkarg, bin ich mit wildfremden Personen ins Gespräch gekommen und habe neue Leute kennengelernt. Auch ich wurde offener und selbstsicherer.
Jetzt erst, nachdem Oli gegangen ist, bemerke ich wie viele Leute uns beobachtet haben. Ich kann die Leute nicht zählen die mich nach meinem Hund gefragt haben, wenn ich jetzt alleine spazieren gehe. Ich habe von einigen Leuten erfahren, das ich sogar so etwas wie einen Spitznamen habe: „Der Mann mit dem Hund aus Marsdorf“. Man hat mir erzählt, dass sich die Leute über uns unterhalten haben und wenn jemand vom „Mann mit dem Hund aus Marsdorf“ sprach wusste man wer gemeint war.
Dann waren die drei Wochen um und die Trennung nahte. Olis Besitzer holte ihn an einem Sonntagnachmittag ab. Ich habe eine Bezahlung abgelehnt, denn Freundschaft lässt man sich nicht bezahlen. Es war ein schlimmer Sonntagabend für mich, ein grauer Montag und ein düsterer Dienstag. Als ich Mittwochmorgen zur Arbeit gehen wollte und die Haustür öffnete stand er vor mir. Mutterseelen alleine und etwas zerzaust stand er da, früh morgens um 7:00 Uhr. Ich war fassungslos und dann sofort glücklich als er mich stürmisch begrüßte. Im nächsten Moment war ich besorgt: „Wie ist das möglich?“. Ich rief sofort Olis Besitzer an. Der war heilfroh, denn Oli war abends zuvor weggelaufen. Meine Sprachlosigkeit war wörtlich zu nehmen. Den um von seinem zuhause zu mir zu kommen musste Oli knapp 10 Kilometer laufen und eine vierspurige Autobahn überqueren. Ich konnte es nicht glauben, was für ein Hund!
Noch am gleichen Tag wurde Oli wieder abgeholt. In der Woche darauf bekam ich einen Anruf von Olis Besitzer. Oli frisst nicht mehr und er gehorcht auch nicht. Da es in seiner Ehe kriselte und die Scheidung bevorstand, hätte sowieso weder er noch seine Frau Zeit für den Hund. Vielleicht könnte ich den Hund übernehmen? Er bekam keine Antwort von mir. Stattdessen stand ich 10 Minuten später vor seiner Haustür und habe Oli zu mir geholt.
Zwei Jahre später traf ich Olis ehemaligen Besitzer wieder. Er fragte nach seinem Gos, wie es ihm den gehen würde? „Wie? Gos? Was ist ein Gos?“. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich die Rasse nicht. Ich dachte Oli ist ein Mischling. Olis Besitzer hat mich erst mal aufgeklärt und hat mir am nächsten Tag die Papiere von Oli vorbeigebracht. Seit dieser Zeit habe ich meinen Hund „Sir“ Oli gerufen.

